Presse

„Rudolf Alexander Agricola“, in: Der Ruf, November 1965, Folge 82

Den Bildhauer Rudolf Alexander Agricola habe ich bisher nicht persönlich kennen gelernt; zwei Gelegenheiten dazu wurden durch besondere Umstände leider nicht genutzt. Aber wir haben eine Zeit lang in Briefwechsel gestanden, und ich besitze seit langem ein inzwischen längst vergriffenes 1943 geschriebenes Buch über ihn mit Abbildungen seiner Arbeiten aus zwölf Jahren, denen natürlich seither eine ganze Reihe weiterer Plastiken gefolgt sind.

Agricola war einer der befähigsten und begabtesten Schüler, ein Meisterschüler Professor Scheibes und ist diesem ausgezeichneten Künstler und vornehmen Menschen bis zu dessen Tode in Freundschaft verbunden gewesen. Und der war stolz auf ihn, denn der Schüler hat mit eigenen Arbeiten dem Meister alle Ehre gemacht. Auf repräsentativen Ausstellungen im In-und Ausland erregten seine Plastiken Aufsehen und Bewunderung. Im Jahre 1937 erhielt er den Staatspreis, im Wettbewerb des Turn- und Sportfestes in Breslau den zweiten Preis, im Jahre darauf den Bildhauerpreis der Stadt Berlin.

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Rudolf Alexander Agricola wurde am 3.April 1912 in Moskau geboren, wo sein Vater vor dem ersten Weltkrieg als Ingenieur tätig war. Die Familie kehrte jedoch bald nach Deutschland zurück, und der Knabe verlebte seine Jugend in Kassel. Er war ein hervorragender Sportler der sich bei leichtathletischen Wettkämpfen oft hervortat, und die meisten Kameraden seines Jahrgangs im Lauf, Sprung und Wurf weit übertraf. Angeregt durch eine Aischylos-Aufführung des Staatstheaters, bei der er mitwirkte, widmete er sich in den letzten beiden Jahren seiner Gymnasialzeit mit großer Begeisterung der griechischen Tragödie. Wahrscheinlich liegen in diesen beiden, dem sportlichen Können und der Beschäftigung mit dem Geist der Antike, die Erklärung dafür, dass Agricola später, als Bildhauer, neben wundervollen Jungmädchengestalten, auch die schönsten Knabenstatuen schuf, die in den letzten Jahrzehnten in Deutschland entstanden, untadelhaft wie jene des klassischen Altertums, adlig an Körper und Seele und erfüllt vom Glanz ihrer herrlichsten Tugenden: Trotz und Demut!

Als neunzehnjähriger entschlossen Bildhauer zu werden, erlernte Agricola 1931 bei einem Steinmetzmeister die handwerkliche Grundlage für seinen künstlerischen Beruf. Der Meißelschlag beim Stein- oder Marmorblock ist unerbittlich und erzieht zu äußerster Sammlung und Anspannung. Fast ein Jahr besuchte Agricola dann 1932 die damals berühmte Kunstschule Giebichenstein bei Halle an der Saale, wo Gerhard Marcks, der hochgerühmte, sein Lehrer war, der ihm entscheidende Einsichten und Impulse vermittelte. Auf dessen Rat hin ging er 1932 nach Frankfurt am Main an das Städelsche Institut, an dem damals Professor Scheibe unterrichtete, der nun auch sein Lehrer wurde. Bei Josef Hartwig studierte er daneben Gerüstbau und Anatomie. 

Schon im Frühwerk des hockenden Mädchens mit den gekreuzten Beinen offenbart sich die natürliche Beweglichkeit gelöster Glieder. Agricola modelliert klar und einfach, doch sehr feinnervig. Von Anfang an hatte er eine Vorliebe für ebenmäßige Körper, die ohne Schema ursprünglich und natürlich waren, nicht als Abklatsch der Antike, sondern aus einer modernen geistigen Wahlverwandschaft heraus.

Daher ergriff er im Sommer 1934 freudig die sich ihm bietende Gelegenheit zu einer Fahrt nach Griechenland, wo seine schon in der Schulzeit erwachte Leidenschaft für die alte Kultur dieses wahrhaften Tempels des Abendlandes auf geweihtem delphischen und olympischen Boden zu unverlöschlicher Klarheit und Reife emporwuchs. Besonders fesselte ihn in Attika der sogenannte „Kritios-Knabe“ und die „Herakles-Metopen“.

In den Jahren 1937 bis 1939 entstanden dann die schon erwähnten Knabenstatuetten, die ohne genrehafte Zutaten den untadeligen Wuchs ihrer Jugend in übersichtlicher Anordnung wie ein Jubellied auf das Leben darbietet, obwohl sie nichts weiter tun, als dass sie stehen. Ein erstaunlicher Gegensatz dazu ist die „große Stehende“, mit schweren Hüften und derbknochigen Gliedern, 1,90 Meter groß, erschreckend fast in ihrer Fülle, wenn nicht künstlerische Meisterschaft die Masse gebändigt hätte. Eine ganze Reihe mehr sportlicher als graziler Frauen- und Mädchenkörper schließt sich an, packend durch die Lebendigkeit ihres Seins und Daseins, beglückend durch ihre heitere Natürlichkeit.

Es ist oft so, dass der Ruhm früher Schöpfungen einen Meister sein Leben lang begleitet, als habe er späterhin nichts Wesentliches mehr geschaffen. Sogar Kolbe erging es so mit seiner „Tänzerin“, obwohl es Bücher und Bilder über sein Schaffen bis in die letzten Jahre seines Lebens gibt. Auch wer von dem Bildhauer Agricola spricht, kennt im Allgemeinen nur seine Schöpfungen bis zum Anfang der vierziger Jahre und ist ihres Lobes voll. Was jedoch in der seither vergangenen Zeit von über zwanzig Jahren entstand, ist weitgehend unbekannt, und es ist bei der heutigen Moderichtung, die auch in der Plastik Ungegenständliches hervorbringt, fraglich, ob sich ein Verleger finden würde, um den längst fälligen neuen und ausführlichen Bildband über Rudolf Alexander Agricola herauszubringen.

Natürlich: Unser Kunstgeschmack ändert sich, und auf vielen Straßen und Plätzen unserer Städte stehen leider immer noch Plastiken, die einmal modern und „schön“ waren, und es jetzt nicht mehr sind, bei deren Anblick wir nur noch lächeln können oder sogar den Kopf schütteln müssen, weil ihre Pathetik oder Symbolik und absurd oder kitschig erscheinen. Aber wie die jahrtausendealten Plastiken der Griechen zeitlos schön und gültig sind, so sind es auch viele Bildhauerarbeiten Späterer, auch unserer Zeit. Zu ihnen gehören ohne jeden Zweifel die Statuen Agricolas. Dass es ihm nicht gegeben ist, für sich zu werben, sich populär zu machen, die Werbetrommel zu rühren, mag heutzutage, da jedes Filmsternchen das mit großem Geschrei und Erfolg vorführt ein Manko sein. Jedoch eins, das diesen Künstler mit seinem großen Lehrer Richard Scheibe auf eine Stufe stellt, das ihn ehrt und nur noch sympathischer macht.

In Kronberg im Taunus arbeitet er, ohne Amt oder öffentliche Förderung, nach dem Gesetz nach dem er angetreten ist.

Darmstädter Tagblatt 1971
FAZ zum gemeinsamen Saisonstart der Galerien Frankfurt 2017
Großer Staatspreis • 1937
Großer Staatspreis • 1937
Großer Staatspreis • 1937

Er wahr wahrer Freund und Zuhörer

Agricola-Gedächtnisausstellung in der Receptur- „Agricola-Jahr 1994“

KRONBERG . Genau wie in seinem Urahn, dem großen Universalgelehrten Georgius Agricola, erging es dem Bildhauer und Zeichner Rudolf Alexander Eginhardt Agricola : Zu seinen Lebzeiten blieb ihm der Ruhm verwehrt. Vorurteile, Mißverständnisse und Kurzsichtigkeit brachten seine Kunst in Mißkredit. Vier Jahre nach seinem Tod richtete seine Witwe Gertrud eine Gedächtnisausstellung in der Receptur ein, die noch bis zum 15. Mai zu sehen ist. Plastiken und Zeichnungen des Künstlers vermitteln einen Eindruck vom Gesamtwerk. Der Bildhauer war Schüler von Gerhard Marcks und Richard Scheibe und Zeit seines Lebens blieb er den gegenständlichen Formidealen dieser Lehrer verbunden.

Dann fand er zu einer ganz eigenständigen Formensprache. Diese immerhin war so bedeutend, daß der Künstler in der Enzyklopädie Brockhaus eine kurze Beschreibung findet. “ Eine gut gelungene Auststellung „, bewertete der stellvertretende Vorsitzende des Kulturkreises, Johannes W. Kilisch, die Präsentation. Schon einmal, kurz nach der Receptureröffnung war eine Ausstellung mit Skulpturen des Kronberger Bildhauers zu sehen. Hans Freiherr von Bethmann, ein enger Freund der Familie Agricola, würdigte den Künstler während der Vernissage, die außergewöhnlich gut besucht war, als einen “ großartigen Gesprächspartner, der auch zuhören konnte. Dieses intensive Aufnehmen und Wiedergeben macht auch den Künstler aus.“

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Wiedergeben macht auch den Künstler aus.“ Sie seien Freunde gewesen, im intimen und ernsten Sinne, was sie jedoch verbunden habe, sei nicht die Kunst gewesen, sondern “ sein Wesen und seine Eigenarten „. Von Bethmann habe den Erfahrungsschatz, die Kenntnis und das Wissen des zwölf Jahre älteren Freundes geschätzt.

Kennengelernt habe er Agricola als genesender Soldat in Falkenstein. Der Künstler habe gerade eine kleine Plastik, ein Mädchen namens Marita, modelliert. Dieses Kunstwerk hat von Bethmann nach Düsseldorf in die Gießerei gebracht, ist nach Wuppertal gefahren, hat dort seine spätere Frau kennengelernt und Verlobung gefeiert. Das habe er Agricola zu verdanken gehabt. „Er gehörte zu den Menschen in meinem Leben, die mich bereichert haben“. Bethmann erinnert sich, wie sehr sein Freund in den Nachkriegsjahren unter der Mißachtung seiner Kunst gelitten habe, die für ein Naziprodukt gehalten wurde und wie leicht es sich die Kritiker bei der Beurteilung seiner Bildhauerei gemacht hätten.

Doch bei aller Kränkung und Widrigkeit habe Agricola sich seinen Humor bewahrt, der ihm über viele Schwierigkeiten hinweggeholfen habe. „Er war sehr sensibel und hat das Aufgenommene mit sehr feiner Antenne verarbeitet „, sagte von Bethmann.

Öffnungszeiten der Ausstellung sind mittwochs von 15 bis 18 Uhr, samstags, sonntags und feiertags von 11 bis 18 Uhr. Noch ein Wort zu Georgius Agricola, dessen 500. Geburtstag während eines Festaktes in Chemnitz gefeiert wurde. Er war ein Pionier bei der Erforschung des Erzbergbaus. Er gilt als der “ Vater der Mineralogie „. Seine epochemachenden Werke über Mineralogie und Geologie behielten über Jahrhunderte hinweg ihre Gültigkeit. Er war der erst Gelehrte, der seine Erkenntnisse auf diesem Gebiet niedergeschrieben und systematisiert hat. Er war zugleich auch Arzt, Philosoph, Pädagoge und Politiker. Der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf hat das Patronat über das Agricola-Jahr 1994 übernommen.

Agricola Gedächtnisausstellung in der Receptur • " Agricola-Jahr 1994 " •  28.04.94 Kronberger Zeitung